Als Coach und Trainer bin ich nicht jeden Tag im gleichen Unternehmen und sehe meine Klienten manchmal nur in größeren Zeitabständen.
Ich hatte im Dezember Coaching-Termine bei einem meiner großen Kunden. Viele Führungskräfte waren in den Coaching-Gesprächen voller Euphorie, Zuversicht und Leichtigkeit. Mein nächster Termin bei diesen Kunden war im Februar. Nur 8 Wochen später waren viele Coaching-Gespräche von Depression, Versagensängsten und Unsicherheit geprägt …
Was war passiert? Wie ist es möglich, dass innerhalb von 8 Wochen die Sicherheit aus 3,7,10 und mehr Jahren an Berufserfahrung verloren ging? Klar, Sie werden es schon erraten haben, die Entwicklung des Unternehmens war nicht wie geplant ausgefallen. Gerüchte und Unsicherheit hatten Raum eingenommen. Die unsichtbare Energie der Depression hatte die Euphorie abgelöst. Unrealistische Ängste und graue Wolken bestimmten das Betriebsklima an diesem Tag.
Ich kenne das auch.
Ein Messwert meiner Arbeitsqualität fällt nicht so aus, wie ich es erwartet hatte und schon verliere ich meine Integrität zu mir selbst. Ich verliere mich, wie viele Führungskräfte, in Selbstzweifel und Depression. Anstelle einer realistischen Bestandsaufnahme lasse ich mich zu „emotionalen Dramen“ verführen.
Von wem, werden Sie mich fragen.
Von keinem Geringeren als meinem Verstand, meiner Folterkammer aus negativen Gedanken und Selbstanklage! Es ist gut, sich zu hinterfragen und eine kritische Betrachtung der Situation und des eigenen Beitrags dazu anzustreben.
Aber …
Gibt es ein immer anhaltendes wirtschaftliches Wachstum? Eine kontinuierliche Steigerung der Leistungsfähigkeit? Das Erreichen von immer noch höheren Planzahlen? Wirtschaftliche Analysen können doch nicht nur linear nach oben verlaufen, oder? Zeigt die Geschichte nicht, dass Wellenbewegungen stattfinden?
Warum können wir nicht ein negatives Ergebnis oder besser ausgedrückt ein Ergebnis, das nicht unseren Erwartungen entspricht, als Gelegenheit sehen, um innezuhalten und unseren Verstand dazu benutzen nachzudenken– ohne uns zu tadeln. Dann würden wir nämlich erkennen, was trotz schlechter Betriebsergebnisse gut gelaufen ist und wo Fehler liegen könnten.
Wir könnten in unseren Verantwortungsbereich schauen und vielleicht Verbesserungsmöglichkeiten finden, die das Betriebsergebnis positiv beeinflussen oder uns all die Dinge bewusst machen, die gut waren. Wie zum Beispiel gute Mitarbeitergespräche geführt, Projektentwicklung in Planzeit absolviert, neue Mitarbeiter gut eingearbeitet zu haben und vieles mehr.
Damit schaffen wir keine Ausflüchte angesichts des schlechten Betriebsergebnisses. Aber wir werden proaktiv.
Proaktiv bedeutet: Ich schaue in meinen Verantwortungsbereich und prüfe, was ich noch besser machen kann, ob ich mein Bestes gegeben habe und ob ich meiner professionellen und menschlichen Rolle gerecht geworden bin.
Das macht mich aktiv und lebendig.
Wenn ich die Depression zulasse, bin ich Opfer der Situation und diese Haltung in mir ist ansteckend für andere. Leider in die falsche Richtung.
Ein guter Freund von mir hat einmal gesagt: „Das Leben ist wie eine Berglandschaft … damit wir in den Tälern der Niederlage innehalten und Anlauf nehmen, um wieder auf den nächsten Gipfel des Erfolgs zu fahren …“
Integrität zu mir selbst bedeutet: Ich glaube an mich und weiß, dass Erfolg und Misserfolg wie Sonne und Schatten zusammengehören.
Ich bewerte mich und meine Leistung nicht nur aufgrund von empirischen Zahlen, sondern ich betrachte meine gesamte Situation und sehe, was noch außerhalb des Messbaren passiert ist, ohne Euphorie oder Depression.
In mir drin weiß ich, dass es morgen vielleicht wieder anders sein kann …
Ein Ansatz, oder?
Melania
P.S.: „In der Welt der Wandlung und Veränderung gibt es keine Vollkommenheit. Alles ist im Werden, kein Mitmensch ist perfekt.“ Buddhistische Weisheit.